Carl-Dietrich Sander war 20 Jahre in leitenden Positionen im Firmenkundengeschäft von Kreditinstituten tätig, zuletzt als Vorstandsmitglied einer Volksbank. Seit 1998 unterstützt er Unternehmer/innen in der kaufmännischen Unternehmensführung mit dem Schwerpunkt Finanzierung durch Beratung, Referententätigkeit und ist Fachautor des Buches Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln. Er ist Leiter der „Fachgruppe Finanzierung-Rating“ im Bundesverband Die KMU-Berater und verantwortet in dieser Funktion jährlich das KMU-Banken-Barometer – ein Selbstcheck für Unternehmen.
COMPEON: Herr Sander, Sie sind langjähriger Experte in der Unternehmensfinanzierung und Rating-Fachmann. Was hat sich in den letzten 15 Jahren in der Unternehmensfinanzierung verändert?
Carl-Dietrich Sander: Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und auch Mittelständler arbeiteten vor 15 Jahren mit einer kreditgebenden Hausbankbeziehung zusammen – und kamen damit meist auch wunderbar klar. Dann kam mal das eine oder andere Leasinggeschäft dazu – und das war es. Die einschneidenste Veränderung aus meiner Sicht ist, dass diese Konstellation immer weniger funktioniert. Die Finanziererlandschaft hat sich sehr verändert und dieser Prozess geht immer schneller weiter. Dazu gehören vor allem zwei Entwicklungen:
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Sparkassen und Volksbanken verzeichnen seit Jahren deutliche Ertragsrückgänge. Diese werden sich nach einer Pause im Jahr 2017 nach Einschätzung der Bundesbank weiter fortsetzen. Das bedeutet, dass im nächsten Konjunkturabschwung die meisten Kreditinstitute sehr viel risikoscheuer agieren werden. Das wird dann vor allem die Unternehmen mit mittlerer Bonität treffen und deren Kreditversorgung zum Teil gefährden.
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Das Angebot an Finanzierungsmöglichkeiten ist sehr viel breiter geworden. COMPEON selber ist dafür das beste Beispiel. Das ist für die Unternehmen eine große Chance, ihre Finanzierungsbasis zu verbreitern und einseitige Abhängigkeiten zu reduzieren. Es macht das Finanzierungsgeschäft aber auch nicht übersichtlicher.
Auf diese beiden Entwicklungen müssen sich die Unternehmen einstellen. Das heißt in der Schlussfolgerung: Unternehmen sollten ihre Unternehmensstrategie durch eine begleitende Finanzierungsstrategie absichernd und untermauern.
COMPEON: Was sind aus Ihrer Sicht die aktuell größten Herausforderungen in der Unternehmensfinanzierung?
Carl-Dietrich Sander: In dem geschilderten sich verändernden Umfeld kommt es für die Unternehmen darauf an, für die Umsetzung der Finanzierungsstrategie ihre eigene Verhandlungsposition realistisch einzuschätzen. Die meisten Unternehmen sind dazu nicht in der Lage. Hintergrund: Es fehlt an der Kommunikation mit den Kreditgebern zu den drei entscheidenden Parametern. Die Ursachen dieser mangelhaften Kommunikation liegen zum einen bei den Kreditinstituten – viele sind da (um es vorsichtig auszudrücken) sehr zurückhaltend. Es liegt aber auch an den Unternehmen, die zu wenig und zu wenig nachdrücklich fragen. Unternehmen sollten mit ihren Banken und Sparkassen offen darüber sprechen:
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Wie sieht mein Rating aus?
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Wie ist das Ergebnis der Kapitaldienstfähigkeitsberechnung meiner Bank?
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Wie bewertet die Bank die von mir zur Verfügung gestellten Sicherheiten und wie hoch ist damit das auch Sicht der Bank nicht besicherte Kreditvolumen (Blankovolumen)?
Wenn ein Unternehmen diese drei Parameter kennt, kann es seine Verhandlungsposition realistisch einschätzen und sich damit sinnvoll auf Kreditgespräche vorbereiten.
COMPEON: Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was wird sich aus Ihrer Sicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren in der Finanzierung verändern?
Carl-Dietrich Sander: Die meisten Unternehmen werden mindestens zwei kreditgebende etwa gleiche starke Hausbankverbindungen haben ergänzt um ein „Bündel“ an ergänzenden Finanzierungsbausteinen. Dabei werden die Möglichkeiten im Internet immer häufiger und effektiver genutzt werden – ohne dass der persönliche Beratungsbedarf wirklich sinken wird. Denn für sehr viele Unternehmerinnen und Unternehmer ist der kaufmännische Bereich und damit auch das Finanzierungsthema nicht ihre Kernkompetenz.
COMPEON: Welche Frage stellen Ihnen Unternehmen am häufigsten, wenn es um Finanzierungen geht?
Carl-Dietrich Sander: Es konkurrieren zwei häufigste Fragen:
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Wie kann ich meinen Finanzierungsbedarf auch mit öffentlich geförderten Krediten abdecken?
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Wie bewerten meine Kreditgeber die von mir gestellten Sicherheiten?
COMPEON: Was sind die häufigsten Fehler, die Unternehmen aus Ihrer Sicht bei der Finanzierung begehen?
Carl-Dietrich Sander:
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Sie fragen zu wenig nach den Parametern ihrer Verhandlungsmacht – siehe oben.
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Sie bereiten sich zu wenig auf Bankgespräche vor.
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Sie agieren zu kurzfristig; das gilt sowohl für den eher langfristigen Aspekt einer fehlenden oder unzureichenden Finanzierungsstrategie wie auch für die Steuerung der Liquidität selber im Tagesgeschäft.
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Auf dieser Basis senden immer noch viel zu viele Unternehmen unbewusst Risiko- oder Warnsignale in die Ratingsysteme ihrer Banken und Sparkassen, was gerade in liquiditätsmäßig schwieriger werdenden Zeiten den eigenen Handlungsspielraum gravierend schmälern kann.