Eva Sartorius bringt nicht nur langjährige Erfahrung in Führungspositionen in der Firmenkundenberatung angesehener Finanzanbieter mit, sondern ist bereits seit mehreren Jahren Mitglied der Geschäftsleitung der A.B.S. Global Factoring AG. In dieser Funktion ist Sie als Geschäftsleitung im Bereich Markt bei A.B.S. Global Factoring auch Expertin für die deutsche Factoring-Landschaft und kann aktuelle Entwicklungen und Tendenzen meist als erste erkennen.
COMPEON: Frau Sartorius, wie entwickelt sich Ihrer Meinung nach die Offenheit für Factoring als Finanzierungsinstrument und wie sieht das in konkreten Zahlen aus?
Eva Sartorius: Unsere tägliche Erfahrung und zahlreiche Studien lehren uns, dass bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ein Umdenken stattgefunden hat. War noch vor wenigen Jahren die Hausbank der Ansprechpartner Nummer 1, wenn es darum ging, Investitionen zu tätigen, so entscheiden sich Unternehmer heute zunehmend für Finanzierungen, die Kredite ergänzen oder ganz ersetzen. Eine Studie des Bundesverbands Factoring für den Mittelstand (BFM) belegt, dass 48 Prozent der KMU neben Eigen- und Fremdkapital auch Factoring und Leasing zur Deckung des Finanzierungsbedarfs einsetzen. In konkreten Zahlen, die der deutsche Factoring-Verband erhoben hat, bedeutet das, dass im letzten Jahr 36.000 Unternehmen die Finanzierungsalternative Factoring eingesetzt haben. Auch das Factoring-Volumen wuchs im achten Jahr in Folge, in 2017 um 7,2 Prozent. Wir haben es mit einem äußerst dynamischen und spannenden Markt zu tun.
COMPEON: Für welche Unternehmen ist Factoring besonders interessant?
Eva Sartorius: Betrachtet man Branchen, in denen Factoring schon stark genutzt wird, so liegen Handel, Herstellung von Metallerzeugnissen und Dienstleistungen auf den ersten Plätzen. Aus unserer Sicht ist das aber nicht mit einer Aussage gleichzusetzen, dass Factoring für andere Branchen weniger interessant wäre.
Ob Factoring sinnvoll ist, macht sich nicht an der Branche, sondern an strukturellen Faktoren eines Unternehmens fest. Wenn Unternehmer zum Beispiel freie Liquidität aus offenen Forderungen generieren möchten, Betriebe ihren Kunden lange Zahlungsziele anbieten müssen oder die Kunden eine schlechte Zahlungsmoral haben, wären das wichtige Kriterien. Die Rechnungen müssen an gewerbliche Kunden gerichtet sein, Laufzeiten von 14 bis 120 Tagen haben und abgeschlossene Leistungen betreffen. Ein hoher Anteil an Stammkunden und geringe Abhängigkeiten von Abnehmern wären weitere Kriterien. Ebenso interessant ist Factoring für Unternehmen, die flüssiges Kapital benötigen, denen die Bank aber keinen weiteren Kredit bewilligt.
COMPEON: Wie kann Factoring mittelständischen Unternehmen helfen, Liquiditätsengpässe zu überbrücken?
Eva Sartorius: Liquiditätsengpässe sind immer ein Problem, denn betroffene Unternehmen können weder in die Produktion, noch ins eigene Wachstum investieren und es wird schwerer, Verpflichtungen gegenüber Lieferanten nachzukommen oder Gehälter auszuzahlen.
» Factoring kann hier eine günstigere Möglichkeit sein, die Liquidität zu erhöhen. «
Unternehmen generieren finanzielle Mittel aus ihren Forderungen. Sie müssen sich also kein Geld leihen, sondern erhalten 90 Prozent des Rechnungsbetrages der Forderungen binnen 24 Stunden ausgezahlt, die restlichen 10 Prozent nach Zahlung durch den Debitor. Zudem ist die Liquidität durch Factoring gegen Risiken wie Forderungsausfall abgesichert und wird damit planbarer. Weitere im Full-Service Factoring inkludierte Services wie Debitorenmanagement und Mahnwesen setzen zudem weitere Ressourcen frei.
COMPEON: Wann wird fehlendes Risikomanagement für mittelständische Unternehmen zur Gefahr – und wie kann Factoring dabei helfen, diese Gefahren zu umgehen?
Eva Sartorius: Fehlendes Risikomanagement wird gerade für noch junge Unternehmen gefährlich, die ihren Fokus noch stark auf das Produkt, Entwicklung und Marketing legen. Oft fehlt die Zeit, sich auch noch um das Management der offenen Forderungen angemessen zu kümmern. Wir erleben immer wieder, wie viel Geld hier verloren geht, das viel besser ins Unternehmen investiert werden könnte.
Oftmals sind das schon ganz banale Dinge wie die Überprüfung der Umsatzsteuer-ID oder der Vertretungsberechtigten eines Unternehmens. Hier zahlt es sich aus, saubere Datensätze mit klar definierten Verantwortlichkeiten zu pflegen und sich genau anzuschauen, mit wem man Geschäfte macht. Blindes Vertrauen ist fehl am Platz, Bonitätsprüfungen stattdessen ein wirksames Mittel.
Ein kleines Rechenbeispiel: Hat ein Unternehmen 2 Prozent Ausfallquote, sagen die meisten: „Naja, das kann schon mal passieren!“ Bei einem Umsatz von 1 Million Euro bedeutet das aber einen Verlust von 20.000 Euro. Um diesen Verlust von nur 2 Prozent wieder auszugleichen, muss der Betrieb bei einer Umsatzrendite von 8 Prozent den Umsatz um 25 Prozent steigern, also in unserem Beispiel um 250.000 EURO – nur um den Verlust auszugleichen. Bei 4 Prozent Ausfall wäre es noch dramatischer.
Factoring schützt vor diesen Risiken durch ein professionelles Debitorenmanagement mit Bonitätsprüfungen und dem Schutz vor Forderungsausfall.
COMPEON: Häufig wird Factoring auch im Zusammenhang mit Start-ups genannt. Wie können besonders junge Unternehmen von Factoring profitieren?
Eva Sartorius: Junge Unternehmen haben oft das Problem, dass sie noch kein Standing bei Banken haben. Und wenn das Working Capital negativ wird, haben wir schnell die eingangs erwähnten Liquiditätsengpässe. Mit Factoring bewerten wir aber die Zukunft, sprich das Geschäftsmodell und die Qualität der Kunden. Durch den Verkauf der offenen Rechnungen können sich Start-ups schon ab Tag 1 ihrer Geschäftstätigkeit liquide Mittel sichern. Dadurch verbessert sich das Rating, denn Factoring hat viele positive Effekte wie die pünktliche Tilgung eigener Verbindlichkeiten, Bilanzverkürzung und eine höhere Eigenkapitalquote. So haben die Start-ups im Nachgang die Chance, Finanzierungen auf mehrere Pfeiler zu stützen und bei einem Unternehmenskredit bessere Konditionen zu erhalten.
COMPEON: Vielen Dank für das Gespräch, Frau Sartorius.
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