Razvan Olosu ist erfahrener Gründer, Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender unterschiedlicher Unternehmen und Unternehmensgruppen wie der BeOne Group oder der Metromind Gruppe. Bis 2007 war er Vorsitzender der Nokia Deutschland GmbH sowie Nokia Corporate Vice-President. Vorher konnte Razvan Olosu Erfahrungen als Franchise Manager und Sales und Marketing Manager bei Pepsi-Cola International sowie in der Project-Management Software-Entwicklung bei der Klöckner AG gewinnen.
Bis 2011 leitete er außerdem als Lehrbeauftragter an der Ruhr Universität Bochum die Veranstaltung „International Strategic Management“, die er mit der Vorlesungsreihe „Strategic Management in the Digital Economy“ ab Sommer 2019 wieder aufnehmen wird. Außerdem befasst er sich mit dem Management eines eigenen Beteiligungsfonds sowie M&A Transaktionen im Bereich „Distressed Assets“, Turnarounds und Post-Merger Integration.
COMPEON: Herr Olosu, als ehemaliger Vorsitzender der Geschäftsführung von Nokia Deutschland und erfahrener CEO und Founder besitzen Sie tiefgreifende Erfahrung in der Unternehmensführung. Wenn wir in die Zukunft blicken: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für mittelständische Unternehmen in Deutschland in den kommenden 5 bis 10 Jahren?
Razvan Olosu: Die größte Herausforderung der mittelständischen Unternehmen in Deutschland, unabhängig davon, ob sie bereits Teil der digitalen Wirtschaft sind oder erst mit dem Einstieg planen, ist es, den Anschluss an die digitale Wirtschaft nicht zu verlieren. Die Herausforderung liegt nicht unbedingt in der Schaffung einer „state-of-the-art“ gut funktionierenden und zuverlässigen digitalen Infrastruktur, sondern primär in der Einführung von digitalen Geschäftsprozessen – vor allem von Management-Prozessen – und die Umstellung auf neue Geschäftsmodelle. Darüber hinaus sehe ich als Herausforderung die effiziente Anwendung neuer Technologien und die Übernahme einer führenden Rolle bei der Entwicklung dieser Technologien wie IoT, Big Data, Robotics, AI oder Cloud-Computing.
COMPEON: Der deutsche Mittelstand kämpft mit der Digitalisierung – auch in der Finanzbranche ist die digitale Revolution angekommen. Für Privatkunden sind Online-Banking und Kreditvergleiche über Online-Portale schon Normalität – immer mehr Digitalbanken drängen auf den Markt. Und auch im Geschäftskundenbereich bieten sich durch Online-Plattformen immer mehr Möglichkeiten. Wie können Unternehmer davon Ihrer Meinung nach am besten profitieren?
Razvan Olosu: Der deutsche Mittelstand ist immer noch traditionell und (zu stark) emotional an die (lokale) Hausbank gebunden, während Kapital und Kapitalvergabe durch die Digitalisierung und digitale Plattformen in Wahrheit keine Grenzen mehr kennen. Ich bin mir sicher, dass mittlerweile meine Kollegen im deutschen Mittelstand von Online-Banking Gebrauch machen, jedoch bezweifle ich, dass viele Kenntnis über die unterschiedlichen Online-Plattformen und Möglichkeiten der Online-Besorgung von Kapital haben.
Ich würde jedem Mittelständler raten, sich über existierende Online-Plattformen und über neue, nicht unbedingt bankgebundene Modelle der Finanzierung zu informieren, wie zum Beispiel Crowd Funding, ICO und ähnliche – und dabei so offen dazu zu stehen wie es die StartUps heute schon praktizieren.
COMPEON: Das Thema Unternehmensfinanzierung spielt für Mittelständler immer eine tragende Rolle – schließlich hängt von einer gut durchdachten Investitionsplanung die Zukunft des Unternehmens ab. Was macht einen guten Finanzierungsmix für Unternehmen aus?
Razvan Olosu: Die Frage ist situativ zu beantworten, denn bei den meisten Unternehmen, je nach Phase in der Unternehmensentwicklung und geltenden Randbedingungen (Markt, Kunden, Wettbewerb und Technologie), der Finanzierungsmix ganz unterschiedlich aussehen kann. Wichtig ist meiner Meinung nach nicht der Mix per se, sondern die Flexibilität in der Nutzung unterschiedlicher Formen der Finanzierung – angefangen mit Factoring und Operating-Leasing bis hin zu Eigenkapital, Genussscheinen, Bonds, Mezzaninekapital, traditionellem Senior Debt, etc.
Durch Flexibilität verstehe ich das schnelle ziel- und bedarfsorientierte Umschalten in der Kapitalstruktur. Diese Flexibilität setzt voraus, dass die Planung und Vertragsgestaltung bei der Finanzierung eine besondere Rolle spielt und dass 08/15-Gestaltungen unbedingt zu vermeiden sind, auch wenn der Kapitalgeber bei Verhandlungen auf die „üblichen Konditionen“ verweist.
COMPEON: Wenn Sie an Ihre eigenen Erfahrungen in Ihren Unternehmen denken: Was hat Sie während der Suche nach passenden Finanzierungslösungen am meisten geärgert?
Razvan Olosu: Dass die meisten Finanzierer zu stark auf die Unternehmensvergangenheit schauen und die Vergangenheit als Maßstab aller Dinge sehen, wenn eigentlich, zum einen, die Vergangenheit nie eine Garantie der Zukunft darstellen kann und, zum anderen, die Gegenwart und die Zukunft wichtiger bei der Beurteilung von Chancen sein dürften. Ich bin sehr oft enttäuscht, wenn sich eine Due Diligence von Finanzierern zu viel mit der buchhaltungstechnischen Vergangenheit beschäftigt und würde mir wünschen, dass die (unumstritten) notwendige Due Diligence eher streng und kritisch in Bezug auf die Unternehmenszukunft verläuft. Sehr oft kommt es bei einigen Finanzierern sogar zu einer mentalen Blockade, wenn sie sich mit Finanzierung von jungen Unternehmen beschäftigen, die keine Vergangenheit (sprich 3 Jahre Bilanzen) aufzuweisen haben.
COMPEON: Zu guter Letzt: Wenn ein Unternehmer Sie um Rat bezüglich der optimalen Strategie bei Suche nach passenden Finanzierungslösungen fragen würde, was wären die Top 3 Ratschläge, die Sie ihm als erfahrener Unternehmer mitgeben würden?
Razvan Olosu: Sehr gerne.
1. Sich selbst über alle Alternativen und existierenden Modelle inklusive Online-Alternativen informieren oder dies über einen neutralen Berater machen lassen und dabei natürlich kritisch bleiben.
2. Es gibt zur Zeit sehr viel Wettbewerb auf dem Kapitalgebermarkt – man sollte den Wettbewerb richtig ausnutzen. Das heißt: Mehrere Angebote und Gestaltungsvarianten einholen, vergleichen und dementsprechend verhandeln.
3. Immer daran denken, dass die Finanzierung nur eine Hochzeit auf Zeit darstellt und dass der Ausstieg auch geplant sein will.
COMPEON: Vielen Dank für die spannenden Antworten, Herr Olosu.
Interessante Gespräche mit Entscheidern und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen rund um Finanzierungs- und Mittelstandsthemen, Fachartikel und kostenlose Whitepaper sowie Neuigkeiten rund um gewerbliche Immobilienfinanzierung – jetzt den COMPEON-Newsletter abonnieren und immer auf dem neuesten Stand bleiben.
Newsletter jetzt anfordern: