Doch sind solche möglichen Entwicklungen wirklich langfristig „ausgerottet“? Welche neuen Szenarien sind für die Wirtschaft und das Finanzierungsumfeld zu erwarten und wie sollten sich Unternehmen schon heute zielgerichtet auf eine daraus resultierende Wirtschaftskrise vorbereiten?
Zwar ist die wirtschaftliche Lage derzeit bei vielen Unternehmen gut, in manchen Branchen sogar sehr gut, aber bereits heute ziehen erste Wolken am Horizont der deutschen Wirtschaft auf. Das Geschäftsklima sinkt laut ifo-Institut bereits seit Jahresbeginn, die Creditreform vermeldet zum ersten Mal seit zehn Jahren, dass die Zahl der Insolvenzen bei Unternehmen wieder steigt. Die Industrieproduktion geht zurück, der Einkaufsmanagerindex (EMI) ist erstmalig in diesem Jahr unter 50 gefallen, die Kernindustrien der deutschen Wirtschaft (Maschinenbau und Automobilindustrie) vermelden sinkende Auftragszahlen. Selbst die Flaggschiffe der Finanzszene wie die Deutsche Bank und Unicredit vermelden Stellenstreichungen von je 10.000 Beschäftigten.
Nur die Inlandszahlen wie das Konsumklima und Branchen wie Bau und Dienstleistungen halten derzeit noch dagegen. Aber auch in anderen großen Volkswirtschaften bemerkt man
den Abschwung: In China sinkt das Wachstum, in den USA bereiten sich die Ökonomen ebenfalls auf eine mögliche Rezession vor.
Zwei denkbare Szenarien für die Konjunktur
Aus derzeitiger Sicht deutet vieles darauf hin, dass die vorhandenen wirtschaftlichen Belastungsfaktoren (Brexit, US-Handelsstreit, abschwächende wirtschaftliche Stimmung, europäische Schuldenkrise) innerhalb der nächsten 12 Monate auch zu einer tatsächlichen Rezession führen.
Die Wahrscheinlichkeit eines Abschwungs wächst von Tag zu Tag. Alternativ ist es zwar möglich, dass die gute Konjunkturphase noch lange Zeit anhält. Trotzdem empfiehlt es sich für mittelständische Unternehmen, für den Worst Case Vorsorge zu treffen. Vor diesem Hintergrund ist nicht nur das eigene Marktumfeld von Bedeutung, sondern auch die Abhängigkeit zu den Banken ist sehr wesentlich.
Wechselwirkungen zur Finanzwirtschaft
Trotz der allgemein guten Konjunktur in den letzten Jahren stehen Banken schon länger vor großen Herausforderungen. So konnten sie bisher die negativen Leitzinsen der EZB kaum an die breite Masse der Sparer weitergegeben. Vor diesem Hintergrund fällt es den Banken schwer, im operativen Geschäft Gewinne zu erwirtschaften.
Lediglich die über die letzten Jahre kontinuierlich zurückgehenden Insolvenzquoten sorgten auf der anderen Seite für „Ergebniskosmetik“, da die geringeren Ausfälle bei vergebenen Krediten deutlich unterhalb der vorher kalkulierten Quote lagen.
So konnten Belastungen aus Kreditabschreibungen in der laufenden GuV der Banken gering gehalten und darüber hinaus noch vorhandene Risikovorsorge ergebniserhöhend abgebaut werden. Zusätzlich wuchsen durch die immer weiter sinkenden Zinsen scheinbar stetige Bewertungsreserven in der Eigenanlage der Kreditinstitute an, die ebenfalls im Bedarfsfall realisiert werden konnten. Parallel versuchten die Kreditinstitute ihre allgemeinen Kosten, insbesondere die Personal- und Sachkosten, weiter zu senken.
Durch all diese Maßnahmen gelang es den Banken, den operativen Gewinn trotz „Schlechtwetterperiode“ in den letzten Jahren vergleichsweise hoch zu halten. Allerdings kann eine Fortsetzung sowohl des Trends zu niedrigeren Insolvenzquoten als auch des Zinssenkungstrends für die nächsten Jahre ausgeschlosssen werden. Banken sind gezwungen, im Falle einer Rezession, in Bezug auf die Kreditvergabe umfassend zu reagieren.
Fragen von Unternehmen
Unternehmer sollten sich daher jetzt folgende kritische Fragen stellen:
-
Was wird in den Banken passieren?
-
Wie schütze ich mein Unternehmen?
-
Was passiert, wenn mein Unternehmen UND meine Bank zeitgleich in einer Krise sind?
Warum werden Kredite „teurer“, wenn der Leitzins niedrig bleibt?
Auch wenn der Leitzins in einer nahenden Rezession auf niedrigem Stand bleibt oder sogar noch weiter gesenkt wird, ist zu erwarten, dass die Banken die von ihnen verlangten Kreditzinsen sogar nach oben anpassen. Der Grund dafür liegt in zwei Details:
-
Einerseits wird bankintern in einem Rezessionsfall die geschäftspolitische Ausrichtung dahingehend geändert, dass die Bepreisung der Risikoklassen angepasst wird. Das heißt, die Bank hebt für die gleiche Risikoklasse die Risikoprämie an (= Effekt 1. Grades).
-
Der zweite Effekt ist auf das Unternehmen bezogen: Verschlechtert sich die Ertragslage für ein Unternehmen, wird auch die Bonität negativ beeinflusst und die Risikoklasse des Unternehmens verschlechtert sich (= Effekt 2. Grades).
Durch beide Effekte im Zusammenspiel kann die Zinsbelastung für eine Finanzierung während einer Rezession massiv steigen.
Konkret werden Unternehmen für neue Finanzierungen stärker auf eigene Mittel angewiesen sein und müssen höhere Zinsen und Sicherheitsabstellungen in Kauf nehmen. Darüber hinaus könnten viele Unternehmen im Rahmen einer allgemeinen „Kreditklemme“ gegebenenfalls sogar gänzlich durch die Kreditwirtschaft von der weiteren Liquiditätsversorgung durch die Banken ausgeschlossen sein.
Unternehmen begeben sich in Risikoposition
Vielen Unternehmern im Mittelstand ist dieses mögliche Szenario in seiner Größenordnung noch gar nicht bewusst. Sie sehen sich für die Zukunft gewappnet und haben – scheinbar – aus 2009 gelernt. So ist die Eigenkapitalquote in deutschen Unternehmen hoch wie nie. Laut Deutscher Bundesbank kratzt sie durchschnittlich an den 30 Prozent, während die Zinsbelastung für Finanzierungen einen historischen Tiefstwert erreicht. Ob diese Vorsorge allein ausreichen wird, ist jedoch für den Falle einer tiefgreifenden Rezession fraglich. Vielmehr scheint es dagegen angebracht, schon jetzt weitere finanzielle Vorsorge zu treffen und zusätzlich auf die derzeit noch günstige Fremdfianzierung zu setzen. Durch diese Vorgehensweise ist das Unternehmen für beide möglichen konjunkturellen Szenarien – ein gleichbleibend guter Konjunkturverlauf oder eben eine Rezession – abgesichert.
Wie sollen Unternehmen sich jetzt im Hinblick auf die Finanzierung positionieren?
Die Schilderung oben zeigt, dass im Falle eines konstant guten weiteren Konjunkturverlaufes das bereits auf einem sehr hohen Level befindliche laufende Ergebnis vor einer Finanzierung nur im vergleichsweise geringen Ausmaß durch die Aufnahme zusätzlicher Finanzierungen auf Grund der derzeit sehr günstigen Refinazierungsbedingungen belastet wird. Sprich: Eine Vorsorge verursacht zwar Kosten wie bei einer Versicherung, allerdings sind diese durch die derzeit hervorragenden Bedingungen nur minimal.
Im Falle einer starken konjunkturellen Abschwächung wird hingegen bereits das Ergebnis vor Finanzierung in den Unternehmen stark zurückgehen. Wenn jetzt noch ein sehr stark erhöhtes Finanzierungsergebnis die laufende GuV belastet, drohen deutlich negative Jahresergebnisse. Diesem Drohszenario kann durch die rechtzeitige finanzielle Vorsorge entgegengewirkt werden, so dass weiterhin eine „schwarze Null“ im Jahresergebnis erhalten bleibt.
Auf Basis einer umfassen Abwägung von Chancen und Risiken spricht damit viel für eine zusätzliche Aufnahme von Finanzierungsmitteln für Unternehmen bereits in guten konjunkturellen Zeiten. Man erkennt: Wer vorsorgt, erfährt in keinem Fall einen gravierenden Nachteil, während unvorbereitete Unternehmen im Falle einer einsetzenden Rezession, unter Umständen mit hohen Belastungen zu kämpfen haben werden. Neben Aspekten der „Glättung“ von Jahresergebnissen kann auf diese Weise insbesondere auch den Existenzgefahren aus einer möglichen Kreditklemme für Unternehmen vorgebeugt werden, welche viele Unternehmen vor gut 10 Jahren im Rahmen der Lehman-Bankinsolvenz erleben mussten. Insgesamt gilt: Wer als Unternehmer jetzt bereits Finanzierungs- und Liquiditätsvorsorge betreibt, wird bei Investitionen in die Zukunft nicht in Schwierigkeiten geraten. Gleichzeitig ermöglicht diese Vorsorge oftmals in einer anschließenden wirtschaftlichen Aufschwungphase, schneller und kräftiger als andere Unternehmen durchzustarten und sich langfristig Marktanteile zu sichern.
Weniger deskriptiv, mehr normativ: Das sollten Sie konkret #AndersMachen
Was sollten Unternehmen also konkret tun? Zunächst sollten, Abhängigkeiten reduziert werden. Der Bankenkreis der meisten mittelständischen Unternehmen ist extrem klein und in sich geschlossen. Laut der Compeon-Studie Mittelstandsfinanzierung 2019 haben 47,9 Prozent der Unternehmen nur eine einzige Bankverbindung. 34,1 Prozent setzen auf lediglich zwei Geschäftsbanken. Der Kreis der Finanzpartner (und Finanzprodukte) sollte deshalb erweitert werden. Genau wie bei Rohstoff- und Warenlieferanten sollten sich Unternehmen auch bei Kapitalgebern nicht in Abhängigkeiten begeben. Der Handlungsspielraum wird dadurch größer und flexibler. Die Lage dafür ist jetzt noch gut, da das Rating der meisten Unternehmen noch positiv ist. Ist die Rezession erst einmal angebrochen, wird es dagegen schwerer, sich neuen Anbietern zu empfehlen.
Außerdem sollten Unternehmen die eigene Finanzierungs- und Bilanzstruktur ausbessern. Das geht einmal durch bilanzoptimierende Finanzierungslösungen wie Factoring oder Leasing, aber auch durch die Thesaurierung von Gewinnen zur weiteren Stärkung des Eigenkapital. Wer zeitgleich die eigene Sicherheitenstruktur optimiert und freie Sicherheiten für den Notfall schafft, bewahrt die Handlungsfähigkeit in Krisensituationen und kann im Ernstfall durch das hinzugewonnene Kapital und Netzwerk an Finanzdienstleistern reagieren.
5 handfeste Tipps: Das sollten Unternehmer jetzt tun
1. Reduzieren Sie Abhängigkeiten zu bestehenden Finanzpartnern. Falls Sie lediglich eine Bank (oder bei größeren Unternehmen zwei Banken) in Ihrem Bankenkreis haben, sollten Sie diesen Kreis vor dem Abschwung erweitern, um gerüstet zu sein.
2. Stärken Sie Ihr Eigenkapital: Thesaurieren Sie Gewinne und optimieren Sie Ihr Working Capital.
3. Überprüfen Sie Ihre Finanzierungsstruktur. Schulden Sie kurzfristige Kredite und Linien in günstigere und langfristigere Darlehen um (Sockelfinanzierung). Nutzen Sie die Vorteile alternativer Finanzlösungen wie Factoring oder Leasing.
4. Hinterfragen Sie Ihre aktuellen Finanzierungskosten. Vergleichen Sie Finanzierungsangebote und schaffen Sie so Rücklagen.
5. Überprüfen Sie Ihre Sicherheitenstruktur bei den bestehenden Finanzierungspartnern. Hinterfragen Sie die Erfordernis gestellter Sicherheiten und schaffen Sie freie Sicherheiten für den Ernstfall.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen
Unternehmen sollten sich darauf vorbereiten, dass sich der über die letzten Jahre gewohnte Zustand eines angemessenen wirtschaftlichen Wachstums, geringer Inflation und sehr aktiven geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank, die die Zinsen und somit die Kosten für jederzeit mögliche Kreditaufnahmen niedrig halten, kurzfristig massiv verändern könnte. Das Szenario einer massiven wirtschaftlichen Rezession scheint zwar düster, ist aufgrund der aktuellen Daten aber durchaus möglich. Da die ersten größeren Konzerne bereits einen eingetrübten Ergebnisausblick für 2019 abgegeben haben, scheint eine Trendwende auch den deutschen Mittelstand zu betreffen.
Jetzt heißt es für Unternehmen daher, den Aufprall so weit wie möglich abzufedern und finanzielle Zukunftsvorsorge zu betreiben. Das erfordert aber insbesondere den Wandel von nahezu lethargischer Einstellung zur Fremdfinanzierung hin zu einem proaktiven Umgang mit Finanzierungen wie Krediten.
Abhängigkeiten von möglicherweise sogar gefährdeten Einzelanbietern (wie einer einzelnen Hausbank) sollten unbedingt reduziert und der Finanziererkreis erweitert werden. Wer die eigene Finanzierungsstruktur optimiert, Laufzeiten aktiver Finanzierungen prüft und die Bilanz optimiert, betreibt aus der jetzigen Position mit eigener Stärke aktiv Unternehmensvorsorge für sich selber. Die Konditionen bei Finanzdienstleistern gehen in jüngster Zeit stark auseinander, erste Banken sind für kleine mittelständische Unternehmen bereits heute deutlich restriktiver in ihrer Kreditvergabe. Ein Anbietervergleich ist zwingend ratsam, um Kosten einzusparen, Sicherheitenspielräume zu wahren und in guten Zeiten verlässliche Partner für mögliche zukünftige Krisensituationen zu sichern.
Mehr hilfreiche Artikel und Hintergrundberichte für Unternehmer?
Sie wollen regelmäßig Tipps und Informationen zum Thema Mittelstand und Finanzierung erhalten? Dann abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter. Dort erhalten Sie alle wichtigen Informationen und Neuheiten aus dem Bereich Unternehmensfinanzierung aus erster Hand:
Newsletter jetzt anfordern: