Mindestreservepolitik
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Der Europäischen Zentralbank stehen diverse Maßnahmen zur Verfügung, deren Hauptziel darin besteht, den Euro stabil zu halten. Neben der Veränderung der Leitzinsen gehört insbesondere die sogenannte Mindestreservepolitik zu den wichtigsten Instrumenten, über die Zentralbanken wie die EZB verfügen.
Worum handelt es sich bei der Mindestreservepolitik?
Zentrales Element der Mindestreservepolitik ist die Mindestreserve, die von der EZB vorgeschrieben wird. Es handelt sich dabei um eine Mindesteinlage, die alle Banken auf ihren EZB-Konten vorhalten müssen. Über die Höhe der Mindestreserve kann die Europäische Zentralbank somit steuern, viel Kapital auf den Konten vorliegen muss und demzufolge dem Markt in gewisser Weise entzogen wird. Die Mindestreservepolitik beinhaltet dabei, dass die EZB einen Mindestreservesatz festlegt. Dieser bezieht sich fast immer auf die Kundeneinlagen, die von der jeweiligen Bank gehalten werden. Hat ein Kreditinstitut also beispielsweise Kundeneinlagen in Höhe von 20 Milliarden Euro und beläuft sich der Mindestreservesatz auf 10 Prozent, muss dieses Kreditinstitut insgesamt mindestens zwei Milliarden Euro auf dem EZB-Konto als Mindesteinlage vorhalten.
Was ist das Ziel der Mindestreservepolitik?
Das oberste Ziel der Mindestreservepolitik besteht – wie nahezu alle Maßnahmen der Europäischen Zentralbank – darin, den Euro auf einem stabilen Niveau zu halten. Im Detail ist es ein wesentliches Ziel der Mindestreservepolitik, dass die EZB dadurch die sogenannte Geldschöpfung in gewissem Rahmen steuern kann. Je höher der Mindestreservesatz ist, desto mehr Liquidität und Kapital wird dem Markt entzogen, denn die Mindesteinlage kann die Bank nicht beispielsweise in Form von Krediten an andere Kunden verleihen. Zudem ist es mittlerweile, spätestens seit der Finanzkrise 2008, ein weiteres Ziel der Mindestreservepolitik, dadurch bestimmte Kettenreaktionen zu vermeiden. Das bedeutet, dass selbst in wirtschaftlich und finanziell schlechten Zeiten aufgrund der vorgegebenen Mindestreserve die Banken zumindest ein gewisses Guthaben und somit Rücklagen auf dem EZB-Konto vorhalten müssen.
Welche Auswirkungen hat die Erhöhung des Mindestreservesatzes?
Die zentrale Auswirkung, wenn die EZB den Mindestreservesatz erhöht, besteht darin, dass der Markt an Liquidität verliert. Durch den höheren Anteil der Kundeneinlagen, welche die Banken an die EZB auf deren Konto transferieren müssen, steht zum Beispiel am Kreditmarkt weniger Geld zum Verleih in Form von Darlehen zur Verfügung. Die reduzierte Liquidität am Markt wiederum führt in der Regel dazu, dass die Zinsen steigen, weil einfach weniger Geld an Angebot vorhanden ist.
Eine weitere Konsequenz bei Erhöhung der Mindestreservesätze ist neben der geringeren Liquidität am Markt und den steigenden Zinsen, dass sich die Geldmenge verringert. Das wiederum kann dazu dienen, eine überhitzte Konjunktur zu bremsen. Aus dem Grund wendet die Europäische Zentralbank die Erhöhung des Mindestreservesatzes fast ausschließlich an, wenn die Inflationsrate ein gewisses Niveau überschritten hat und sich die Wirtschaft durch deutliches Wachstum auszeichnet.
Wie berechnet die EZB die Mindestreserve?
Im Zuge der Mindestreservepolitik ist die EZB regelmäßig dazu angehalten, die von den Banken zu tätigende Mindestreserve zu ermitteln. Dabei ist es innerhalb der Satzung der Europäischen Zentralbank festgelegt, welche Einlagen der Banken im Detail mindestreservepflichtig sind. Dazu zählen in erster Linie die folgenden Einlagen:
- Sichteinlagen
- Tagesgeldkonten
- Einlagen mit einer Laufzeit von maximal zwei Jahren
- Einlagen mit einer Kündigungsfrist von maximal zwei Jahren
- Geldmarktpapiere
- Sparbriefe mit einer Laufzeit von maximal zwei Jahren
Es sind also in erster Linie die kurz- und mittelfristigen Einlagen, die zur Berechnung der Mindestreserve herangezogen werden. Aufgrund der aktuell anhaltenden Niedrigzinsphase liegt der Mindestreservesatz im Rahmen der Mindestreservepolitik der EZB aktuell (Mitte 2021) allerdings ohnehin bei 0 %. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Europäische Zentralbank derzeit ein großes Interesse daran hat, den Markt mit möglichst viel Geld zu versorgen. Daher sind die Banken momentan nicht gezwungen, einen Teil der Kundeneinlagen als Mindestreserve auf dem EZB Konto zu deponieren.
Was passiert beim Unterschreiten der Mindestreserve?
In der Praxis kann es vorkommen, dass Kreditinstitute – gewollt oder unbeabsichtigt – die vorgegebene Mindestreserve für einen gewissen Zeitraum unterschreiten. In dem Fall kommt in der Regel ein Strafzins zum Tragen, der auf die Differenz zwischen dem Kontostand auf dem EZB-Konto und der eigentlich geforderten Mindestreserve berechnet wird. Für gewöhnlich beträgt dieser Strafzins fünf Prozent oberhalb des Leitzinses, derzeit demnach exakt fünf Prozent, weil sich der Leitzins bei null Prozent bewegt.