Rekordhohe Energiepreise belasten den Motor der deutschen Industrie und Unternehmen
Der deutsche Gesetzgeber hat insbesondere vor dem Hintergrund historisch niedriger Speicherfüllstände im Winter 2021/22 sowie des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine innerhalb kürzester Zeit gesetzliche Regelungen zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen verabschiedet, die in Deutschland an das Fernleitungsnetz angeschlossen sind. Das Gesetz zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen (kurz „Gasspeichergesetz“) ist am 30. April 2022 in Kraft getreten. Das Gesetz sieht die Befüllung der deutschen Gasspeicher zum 1. Oktober zu 80 %, zum 1. November zu 90% und zum 1. Februar zu 40% vor. Nutzungsrechte an Speicherkapazitäten können zukünftig Trading Hub Europe (THE) zur Verfügung gestellt werden, wenn Speicherkunden diese nicht nutzen („use it or lose it“). Dem Markgebietsverantwortlichen THE wurden umfangreiche Befugnisse auferlegt, um Maßnahmen für die ausreichende Befüllung der Gasspeicher sicher zu stellen.
Doch was tun, wenn zu wenig Gas da ist?
Gazprom hat den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream in den vergangenen Tagen deutlich verringert. Der russische Staatskonzern begründete das mit Verzögerungen bei der Reparatur von Verdichterturbinen. Zweifel an dieser Aussage sind aus Erfahrung der Vergangenheit erlaubt, ja sogar geboten. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) reagierte unbeeindruckt und sagte: „Es ist offenkundig die Strategie von Putin, uns zu verunsichern, die Preise in die Höhe zu treiben und uns zu spalten. Das lassen wir nicht zu.“ Und doch bezeichnete der deutsche Vize-Kanzler die Lage gleichzeitig als „ernst“ und forderte eine kollektive Kraftanstrengung: „Der Gasverbrauch muss weiter sinken (…) sonst wird es im Winter wirklich eng.“
Kohle statt Gas zur Stromgewinnung
Es bleibt nur ein pragmatischer Umgang mit der Krise. Für das schnelle Befüllen der Gasspeicher plant der Minister, den Gasverbrauch durch mehr Kohleverstromung auszugleichen. Eigentlich hatte seine Partei den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2030 in den Ampel-Koalitionsverhandlungen als „oberste Priorität“ genannt. „Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken“, sagte Habeck zu dem Plan, Gas sekundär einzusparen, indem es bei der Stromerzeugung eingespart wird und stattdessen eine Rückkehr zum Kohlekraftwerk angestrebt wird.
Nach Einschätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist es generell machbar und möglich, Strom wieder vermehrt mit Kohle- statt mit Gaskraftwerken zu erzeugen. Braunkohlekraftwerke „könnten in einem überschaubaren Zeitraum zur Verstromung wieder angefahren werden“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des BDEW, Kerstin Andrae, in einem Interview mit dem Morgenmagazin der ARD.
Industrieverband BDI halbiert seine Konjunkturprognose
Aufgrund der russischen Invasion verzögert sich zusätzlich zu der Verknappung der Gaslieferung und den damit explodierenden Energiekosten die Erholung von den Pandemie-Folgen. Zum Jahresbeginn war der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) von 3,5% Brutto-Inland-Produkt plus ausgegangen. Die Rückkehr zum Vorkrisenniveau ist frühestens zum Jahresende zu erwarten. Die reale Wirtschaftsleistung wird im laufenden Jahr nur um rund 1,5% steigen. Der Außenhandel wird zur Wachstumsbremse: Der BDI rechnet mit einem Anstieg der Exporte von Waren und Dienstleistungen um 2,5%. Die Importe werden mit 4,5% stärker steigen. Grund dafür sind ebenfalls die hohen Energie- und Rohstoffpreise, sowie wieder anziehende Auslandsreisen.
Welche Möglichkeiten bleiben Ihnen als Unternehmer?
Wie können Sie und Ihr Betrieb direkt Gas und sekundär Energie sparen? In den Bereichen, der Industrie und des verarbeitenden Gewerbes, die für Ihre Arbeitsabläufe auf Gas angewiesen sind, wie Metall-, Stahl- und Chemie-Industrie wird das wirklich schwierig. Laut Einschätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist es für die Industrie nur möglich 8% Gas einzusparen.
Sekundär Gas sparen – wie geht das?
Aber es gibt Möglichkeiten, sekundär Gas bei der Stromgewinnung und beim Energieverbrauch zu sparen. Wir haben mit Experten gesprochen und möchten Ihnen in den nächsten Wochen für die Bereiche, in denen besonders viel Energie eingespart werden kann, Tipps geben: Beleuchtung, Heizung, Lüftungsanlagen und Wärmepumpen. Wenn Sie hier jetzt im Sommer schon Ihre Anlagen prüfen, eine Analyse des Status-Quo machen und Änderungen vornehmen, können Sie bis zum Winter Energie und bares Geld sparen. Viele der Maßnahmen sind auch durch Fördermittel finanzierbar – es lohnt sich also spätestens jetzt, sich mit dem Thema Energieeffizienz zu beschäftigen.
Wie können Sie diese Einsparungen im eigenen Unternehmen umsetzen?
„Energieeffizienz und Energiesparen ist die schnellste und kostengünstigste Antwort auf die Energiekrise“, ließ die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in den letzten Tagen verlauten. Konkret korrigiert die Kommission ihren Vorschlag aus dem letzten Jahr für ein neues EU-weites Effizienzziel nach oben: Anstelle von 9% zusätzlicher Reduktion des Energieverbrauchs bis zum Jahr 2030, sollen die Mitgliedstaaten gemeinsam ein Ziel von jetzt sogar 13% erreichen. Dafür muss jetzt in den nächsten Monaten viel passieren. Sowohl in den Privathaushalten, als auch in der Industrie und den Unternehmen in Deutschland. Viele der Tipps, die wir im Folgenden für Unternehmer geben, sind natürlich auch im kleineren Maßstab im privaten Haushalt umsetzbar.
Wir haben für Sie Dr. Tatjana Ruhl von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) befragt. Die Expertin für Energieeffizienz hat uns in einem Kurzinterview ihre wichtigsten Tipps für Sie verraten.
Was sind Ihrer Meinung nach die Änderungen, die jedes Unternehmen für die eigene Energieeffizienz „schnell und einfach“ umsetzen kann?
„Die Crux beim Energiesparen in Unternehmen (im Vergleich zu Gebäuden und Privathaushalten) ist, dass die Einsparpotenziale viel individueller sind. Das ist auch logisch: Schließlich produzieren oder leisten die Unternehmen ganz unterschiedliche Dinge. Trotzdem gibt es drei Sachen, die jedes Unternehmen machen sollte, um schnell Energie zu sparen. Das erste ist, der Belegschaft ein paar Verhaltensmaßnahmen zu empfehlen: Leerlauf bei Maschinen und IT vermeiden, Licht aus, wenn es nicht gebraucht werden; Temperaturen anpassen, weniger Dienstreisen, mehr Homeoffice. Am besten sollten Unternehmen ihre eigenen Mitarbeiter befragen – die wissen meistens am besten, wo man durch geändertes Verhalten etwas einsparen kann. Das zweite sind die so genannten Querschnittstechnologien: Druckluft, Motoren, Pumpen aber auch Wärme- und Kälteerzeuger und Verteilung – die Unternehmen sollten erkennbar veraltete Anlagen austauschen, dafür braucht man nicht mal unbedingt einen Energieberater und es wird gut gefördert. Das dritte ist ein eingehender Blick in vorliegende Energieaudits: Hier sind Einsparmöglichkeiten – häufig auch kurzfristige – perfekt auf das Unternehmen zugeschnitten aufgelistet. Dann gilt: Einfach mal machen! Wer noch kein Energieaudit hat und nicht verpflichtet ist, kann sich übrigens die Erstellung fördern lassen.“
Was sind grundsätzliche strukturelle Veränderungen, die laut Ihrer Einschätzung, mittelständische, deutsche Unternehmen für eine generelle Energieeffizienz für die Zukunft einplanen und umsetzen sollten?
„Das ist wieder sehr individuell und ohne strukturierte Planung kaum zu machen. Denn hier müssen die Unternehmen an ihre Produktionsprozesse ran. Und die müssen ja in Zukunft nicht nur energieeffizient, sondern vollständig klimaneutral werden. Immer wieder müssen Prozesse dafür auch umgebaut werden. Unternehmen sollten sich dafür einen Dekarbonisierungsfahrplan erstellen lassen, auch dieser ist förderfähig. Die Umsetzung eines solchen Plans hat man dann mit einem Klimamanagementsystem am besten im Griff. Dieses baut auf einem klassischen Energiemanagementsystem auf und erweitert es um eine regelmäßige Treibhausgas-Bilanzierung.“
In welche erneuerbaren Energiequellen sollten mittelständische Unternehmen sinnvollerweise investieren? Und welchen Unterschied machen sie für die Energiebilanz des Betriebes?
„Diese Frage treibt gerade viele um. Unternehmen stehen ja erst einmal vor der Entscheidung: Will ich in die Eigenerzeugung von erneuerbaren Energien gehen oder kaufe ich grüne Energie ein? Beides sind valide Lösungen. Um einen Zukauf von grüner Energie, zum Beispiel über so genannte grüne PPAs, werden aber die allermeisten nicht umhinkommen. Die größte Baustelle wird auf mittlere Sicht vermutlich grüne Wärme bleiben, denn diese kann ich mir nicht einfach so liefern lassen wie Strom. Hier sollten auch die Möglichkeiten der Abwärmevermeidung, etwa durch technische Isolierung oder -nutzung, zum Beispiele Einspeisung in Betriebs- oder Fernwärmenetze mitgedacht werden.“
Wie schätzen Sie die aktuelle Energieversorgung bis zum Ende des Jahres ein? Und was können in diesem Zusammenhang schon erste Änderungen für den eigenen Betrieb bedeuten?
„Die Lage ist extrem angespannt. Auch wenn wir von der anfänglichen extremen Dynamik im Ukrainekrieg weg sind, so muss man doch jederzeit mit einem russischen Gaslieferstopp rechnen, worauf sich die Bundesregierung ja auch vorbereitet. Jede gesparte Kilowattstunde hilft in dieser Hinsicht dabei, sich einerseits unabhängiger von Preisrisiken zu machen, hilft aber auch gesamtgesellschaftlich, um im Falle eines Gaslieferstopps Abschaltungen von Unternehmen möglichst gering zu halten und kommt damit letztlich dem einzelnen Unternehmen wieder zugute. Fest steht: Die Zeiten billiger Energie sind vorbei. Effizienz lohnt sich mehr denn je.“
Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) ist eine Initiative von rund 200 Vorreiterunternehmen mit herausragenden Produkten und Dienstleistungen im Bereich Energieeinsparung und Klimaschutz. Wir von COMPEON sind stolz, Teil und Partner dieses Energiewendenetzwerks für Deutschland zu sein. Finden Sie weitere Informationen über die DENEFF auf www.deneff.org
Lüftungsanlage modernisieren und bis zu 80% Strom sparen
Im nächsten Blogbeitrag unserer Serie informieren wir Sie über die Möglichkeit, Ihre Energieeffizienz über die Optimierung Ihrer Lüftungsanlage zu steigern. Wussten Sie, dass es schon mit kleineren Modernisierungen über die Lüftungsanlage möglich ist, zwischen 60 und 80% Energie einzusparen? Wir erklären Ihnen mit einem Energie-Experten für Lüftungsanlagen wie!