Die Zinswende wirft ihre Schatten voraus
Bereits seit einigen Jahren bietet die deutsche Kreditwirtschaft ein einzigartiges Bild: Die Zinsen sind auf historisch niedrigem Stand. Der 3-Monats-Euribor-Wert (Euro Interbank Offered Rate), der als Gradmesser für Zinsprodukte gilt, steht bei -0,310 Prozent (Stand: 02.01.2019) – ein Tiefstwert. Eine solche Niedrigzinsphase gab es noch nie: Ökonomische Lehrbücher müssen angepasst, volkswirtschaftliche Makro-Modelle neu durchdacht werden.
Während Banken und Sparer unter dieser Niedrigzinsphase ächzen, freuen sich Unternehmen: Bietet sich doch für sie schon seit Jahren eine einzigartig gute Situation. Noch nie waren die Bedingungen für Investitionen und die Aufnahme von Krediten so günstig.
Allerdings stehen die Zeichen auf Sturm. Die Finanzbranche zittert: Wann kommt die Zinswende? Denn dass sie kommt, steht außer Frage – nur das wann ist noch nicht beantwortet. Und wenn sie kommt, hat dies Auswirkungen auf alle Unternehmen. Vor kurzem hat die EZB rund um ihren Präsidenten Mario Draghi bereits angekündigt, die Anleihenkäufe vorsichtig im Laufe der nächsten Monate zu beenden. Den Leitzins werde die EZB zunächst weiter bei 0 Prozent halten, so Draghi.
Was passiert, wenn die Zinswende kommt?
Derzeit steckt die Europäische Zentralbank (EZB) in einer Zwickmühle: Neben der generellen Aufsichtsfunktion über sämtliche Kredithäuser gehört die Kontrolle der Geldpolitik zu den grundlegenden Aufgaben der EZB. Das heißt, dass die Bank als Organ der Europäischen Union für Preisniveaustabilität in der Eurozone sorgt und so die Inflationsrate auf mittlere Sicht unter oder nahe 2 Prozent halten will. So weit, so gut.
Derzeit erhöht die EZB (im Gegensatz zu ihrem US-amerikanischen Pendant der FED) die Zinsen nicht, sondern schießt noch mehr Geld in den Markt. Ein Grund dafür sind die wirtschaftlichen Gefälle in der Eurozone: Während in Deutschland eine gute Konjunktur vorherrscht, sind viele Länder hochverschuldet – die Wirtschaft kommt nach der Eurokrise nur schleppend wieder in Gang. Bei so guten Konjunkturzahlen wie in Deutschland wäre es normalerweise an der EZB, die Zinsen langsam wieder anzuheben, um die anziehende Inflation in Deutschland frühzeitig zu senken.
Wenn der Zinssatz jetzt angehoben werden würde, sollte es zu einer stabileren Lage auf dem deutschen Markt kommen – dies könnte durch eine gemächliche Erhöhung der Zinsen geschehen. Erst zurück auf das Null-Niveau, dann schrittweise in den positiven Bereich.
Die EZB ist am Zug
Der Druck auf EZB-Präsident Mario Draghi wächst: In den USA werden die Zinsen erhöht, die deutschen Banken fragen: Was ist mit Europa? Noch wiegelt Draghi ab. Bis voraussichtlich Mitte 2019 bleibe der Leitzins konstant bei 0 Prozent. Die Inflation sei noch viel zu gering. Außerdem beschwören manche Analysten ein Worst-Case-Szenario herauf: Werde der Zins zu früh, zu schnell oder zu stark angehoben, könne es zu einem extremen Kursrutsch im DAX kommen. Unternehmen erhielten aufgrund der unübersichtlichen Lage am Geldmarkt weniger finanzielle Mittel, was zu einer Kreditklemme führe. Zusätzlich könne sich die wirtschaftliche Lage verschuldeter Euro-Länder massiv verschlechtern, was zu einer neuen Finanzkrise führen könnte.
Die COMPEON-Experten-Meinung dazu:
»Diese Prognose einer neuen Finanzkrise ist eher unrealistisch. Durch eine behutsame Erhöhung des Zinssatzes und das Auslaufen der Anleihekäufe durch die EZB wird es voraussichtlich zu mehr Stabilität auf dem Kreditmarkt kommen. Allerdings befinden wir uns in einer Ausnahmesituation. Das heißt: Alles ist möglich und eine Vorhersage über die exakten Folgen der Zinswende nicht mit Verlässlichkeit zu treffen.«
Malte Ingenleuf,
Finanzexperte von COMPEON
Indikatoren für eine behutsame Zinswende
Im Normalfall verläuft die Zinskurve im zeitlichen Verlauf in einer Wellenbewegung. Auf jedes Hoch folgt ein Tief – und umgekehrt. Das derzeitige Tief hält nun schon mehrere Jahre an, was darauf schließen lässt, dass ein Anstieg bald geschehen wird. Dass dieser bereits begonnen hat, zeigt nicht nur der bereits steigende Zins bei langfristigen Immobilienfinanzierungen. Der erste Indikator ist die Entwicklung in den USA: Dort wurden von der FED bereits drei Zinsschritte für 2018 eingepreist. Europa wird über kurz oder lang nachziehen, um das Ungleichgewicht auf dem internationalen Finanzmarkt nicht noch größer anwachsen zu lassen. Diese Wende startet die EZB derzeit, indem sie die Anleihenkäufe behutsam zurückfährt und eine Anhebung des Zinssatzes für 2019 ankündigt.
Auch die Entwicklung der Euribor-Werte spricht dafür, dass es an der Zeit ist, die Zinswende langsam einzuleiten: Während der 3-Monats-Wert noch bei -0,310 Prozent steht, zeichnet sich auf langfristige Sicht beim 12-Monats-Euribor-Wert bereits Entspannung an. Dieser steht bei -0,121 Prozent. (Stand: 02.01.2019)
Prognose: Wann genau kommt die Zinswende?
Die COMPEON-Prognose: Die Zinswende kommt, wie es die EZB auch angekündigt hat, Mitte des Jahres 2019 auf uns zu – und das wäre gesund für den Markt und den deutschen Sparer.
Die derzeitige Situation ist historisch einzigartig. Sollte diese Lage noch länger anhalten, kann niemand garantieren, was passiert. Beispielsweise kann es zu einem riesigen Knall auf dem Finanzmarkt kommen, da sich so viel Geld im Umlauf befindet. Die EZB täte gut daran, das Geld durch vorsichtige Zinserhöhungen langsam aus dem Markt zu ziehen.
Was sollten mittelständische Unternehmen JETZT tun?
Unternehmen sollten die noch günstige Situation zeitnah nutzen, bevor die Zinswende womöglich hart einschlägt. Ob günstige Finanzierung von geplanten Investitionen über einen Firmenkredit oder Refinanzierung von bestehenden Kreditlinien bei derzeit äußerst niedrigen Zinsen: Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie die Finanzlage in wenigen Monaten aussieht. Hinzu kommt die derzeit hervorragende Konjunktur. Hat der Unternehmer gute Bilanzzahlen vorzuweisen, bekommt er nochmal bessere Konditionen im Hinblick auf Zins, Laufzeit und Sicherheiten.
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